Neue Bauordnung bewegt Architektenschaft

Gütersloh. Was mit der neuen Bauordnung auf die Architekten zukommt dominierte das Thema des 17. Architektentreffs im Kreis Gütersloh. Ergänzt wurde der frühe Abend um einen Überblick über die aktuellen Neuerungen im Bauplanungsrecht.

17. Architektentreffen

Bild: Christina Peters
Referenten Bernhard Bußwinkel und Dr. Florian Hartmann mit Frank Jungeilges,Inga Linzel und Martin Venne 

In geselliger Runde trafen sich über 100 Architekten und Behördenvertreter zum Dialog und fachlicher Weiterbildung im Kreishaus Gütersloh. Aufgrund der guten Beteiligung mussten Stühle dazu gestellt werden. Bernhard Bußwinkel, Leiter der Abteilung Bauen, Wohnen, Immissionen moderierte die Veranstaltung und referierte zusammen mit dem stellvertretenden Geschäftsführer und Justiziar der Architektenkammer, Dr. Florian Hartmann.

Vom Verfahrensrecht zur Barrierefreiheit

Bild: Christina Peters
Dr. Florian Hartmann, Justiziar und Stellv. Geschäftsführer der Architektenkammer

Dr. Florian Hartmann brillierte durch pointierten Vortrag zu den Aspekten des neuen Verfahrensrechts bis hin zur Barrierefreiheit. Die Bauordnung tritt dreistufig in Kraft. Der für die meisten Regelungen entscheidende Aspekt ist der 28.12.2017. Jedes Freistellungsverfahren, was dann noch nicht abgeschlossen ist wird mit diesem Stichtag formal zum "Schwarzbau". Somit ist dringend angeraten, sich schon heute des Baugenehmigungsverfahrens zu bedienen. Dass mit dem Wegfall des Freistellungsverfahrens Architekt und Bauherr erheblich in ihrer Verantwortung entlastet werden zeigte Dr. Florian Hartmann als Positivbilanz auf. Auf die Nachfrage, ob damit auch die Versicherungsprämien für die Architektenschaft sinken werden wusste der Justiziar der Kammer auch nur vorsichtig mit den Schultern zu zucken. Hier musste er als juristischer Interessenvertreter der Anwesenden attestieren, dass durchaus die Gefahr bestehe, dass die ausufernden Kostensteigerungen in der Haftpflichtversicherung die Architekten und Hebammen irgendwann im gleichen Boot säßen. Ebenfalls als Verbesserung sei anzusehen, dass nunmehr der Vorbescheid wie die Baugenehmigung eine Gültigkeit von 3 Jahren aufweist. Gleichzeitig werde aber die Verlängerung von Baugenehmigungen und Vorbescheiden schwieriger, da eine Verlängerung voraussetzt, dass sich die Rechtslage nicht geändert hat. Für laufende Verfahren gelte, dass wer bis zum 01.10.2017 vollständige und prüffähige Unterlagen eingereicht hat sich darauf berufen könne, noch nach dem alten Recht eine Genehmigung zu bekommen. Leicht unruhig wurde es im Publikum als Dr. Florian Hartmann der Architektenschaft ihre rechtliche Verpflichtung aufzeigte, prüffähige Unterlagen bei der Bauaufsicht einzureichen. Der nachfolgende Dialog zeigte die Schwierigkeiten im Einzelfall und die Spannbreite des Ermessensspielraumes auf, so dass ein kooperatives Miteinander von Behörden und Entwurfsverfasserschaft als gemeinsames Ziel definiert wurde. Was beim Thema Stellplatznachweis auf die Betroffenen zukomme könne nunmehr von jeder Kommune selbst entschieden werden. Wenn bis zum 1.01.2019 keine kommunale Stellplatzsatzung vorliege entfällt für diese Gemeinde mit Ausnahme der Behindertenstellplätze die Stellplatzpflicht. Das Thema Barrierefreiheit habe nunmehr einen besonderen Stellenwert erfahren - muss aber noch durch eine technische Baubestimmung bzw. Regelungen in der Bauprüfverordnung zum Zwecke der Praxistauglichkeit ergänzt werden.

Vom Abstandsflächenrecht bis zum Brandschutz

Bild: Christina Peters
Bernhard Bußwinkel, Leiter Bauen, Wohnen,Immissionen

Mit allgemeinen Besonderheiten bezüglich geänderter Grundregelungen übernahm Bernhard Bußwinkel den Vortrag. Hier steche besonders die Vereinheitlichung der planungsrechtlichen Vollgeschossdefinition heraus, die nicht mehr zwischen Staffelgeschoss und Dachgeschoss unterscheidet. Während es für die Ausbildung von Staffelgeschossen mehr Spielraum gebe werde die Ausnutzbarkeit von Dachgeschossen leicht eingeschränkt. Eine Reihe von Änderungen im Abstandflächenrecht seien insbesondere bei der Begünstigung untergeordneter Bauteile ehr als marginal anzusehen. So werden Außenaufzug und Erker auch im Sinne der Barrierefreiheit leicht begünstigt. Kleine Zwerchhäuser erhalten seitliche Vergünstigungen. Windkraftanlagen brauchen nunmehr als Abstandfläche nur noch 35 % ihrer Gesamthöhe einhalten. Selbstständige Abstellräume an der Grenze werden auf ein Volumen von 30 m³ begrenzt. Eine besondere Hilfe für viele Bauherrn sei nunmehr die gesetzliche Regelung, dass auf Grenzgaragen nunmehr Dachterrassen möglich werden, solange sie auf dem Dach 3 m Abstand zur Grenze einhalten. Der anschließende sehr kompakte Teil zum Thema Brandschutz erforderte alle Konzentration der Architektenschaft. Mit dem neuen System der Gebäudeklassen findet Nordrhein-Westfalen laut Bernhard Bußwinkel endlich Anschluss an die Regelungen der anderen Bundesländer. In Kombination mit der Einführung der Feuerwiderstandsklasse "hochfeuerhemmend" und etlichen Erleichterungen bei den speziellen Bauteilanforderungen werde ein großer Schritt in Richtung Erleichterung des Holzbaus vollzogen. Auch das System der nunmehr vorzulegenden Bescheinigungen und technischen Nachweise wurde verfeinert. Ein Wehmutstropfen bei dem Bau von Ein- und Zweifamilienwohnhäusern sei hierbei allerdings die Notwendigkeit einer geprüften Statik. Den Bauaufsichtsbehörden sei mit der neuen Bauordnung zudem ein gesetzlicher Handlungsleitfaden für den Umgang mit Schwarzbauten mit auf den Weg gegeben worden. Bernhard Bußwinkel erläuterte anschließend, welche Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und technischen Baubestimmungen vom "Bauministerium" noch zu erarbeiten seien. In Verbindung mit mindestens schon drei erkannten Überarbeitungsnotwendigkeiten in der neuen Bauordnung in Verbindung mit der Neuorientierung im Regierungsbereich könne dies bis zum 28.12.2017 zu einer Mammutaufgabe heranwachsen.

Neues im Bauplanungsrecht

Leichtere Kost war dann wieder der Folgevortrag von Dr. Florian Hartmann zu den Neuerungen im Bauplanungsrecht die er damit einleitete, dass die Zuhörerschaft mit dem bisherigen Pensum die Fortbildungspunkte mehr als verdient habe. Hier ging es vom Urbanen Bauen bis hin zur Arrondierungsregelung im angrenzenden Außenbereich. Hier wurde insbesondere das Spannungsfeld diskutiert zwischen unbürokratischer Förderung des Bauens und der notwendigen Regulierung von Flächenverbrauchen.

Nach ca. 3 Stunden intensiver Fachlichkeit ging der Austausch in die gewohnt lockere Austauschsituation am Buffet über.


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