Bernd Strickmann legt Studie vor

Wissenschaftlich bewiesen: Mobile Retter sind erfolgreich

Präsentierten die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie im Kreishaus Gütersloh gemeinsam (v.l.): Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Kreis Gütersloh, Landrat Sven-Georg Adenauer und Thomas Kuhlbusch, Dezernent Gesundheit, Ordnung und Recht.

Kreis Gütersloh als erster das Smartphone-basierte Ersthelfer-System Mobile Retter installiert und mit medizinischem und juristischem Knowhow bei der Entwicklung unterstützt. Geschulte, in der Wiederbelebung erfahrene Retter, die sich zufällig in der Nähe befinden, werden dabei durch die Leitstelle gleichzeitig mit dem Rettungswagen und Notarzt alarmiert. Ihr Vorteil: Sie sind häufig schneller vor Ort. Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst beim Kreis Gütersloh, Notarzt und Mobiler Retter in der Freizeit, hat für eine wissenschaftliche Veröffentlichung in einem Fachmagazin Einsatzzahlen gesichtet und ausgewertet. In einem Pressegespräch stellte der Arzt jetzt seine Ergebnisse vor.

886 Reanimationsfälle hat Strickmann untersucht. Die Krankenhaus-Entlassungsrate insgesamt und insbesondere auch in guter Lebensqualität ist nach der begonnenen Wiederbelebung durch Mobile Retter mehr als doppelt so hoch wie bei den Patienten, die vor Eintreffen des Rettungsdienstes keine Hilfe erhielten. Auch andere Ersthelfer – etwa zufällig vor Ort befindliche Laien oder solche, die per Telefon vom Leitstellen-Disponenten angeleitet werden – zeigen Erfolge. Strickmann: „Den größten Effekt aber haben die Mobilen Retter.“ Für Landrat Sven-Georg Adenauer und Gesundheitsdezernent Thomas Kuhlbusch eine Bestätigung, dass sie richtig lagen, als sie als erste bundesweit auf die Mobilen Retter setzten: „Die Idee von Dr. Ralf Stroop war faszinierend. Wir haben darin eine Chance gesehen, die medizinische Versorgung insbesondere bei Kreislaufstillständen entscheidend verbessern zu können. Es ist einfach ein gutes Gefühl, dass es mittlerweile über 700 Mobile Retter im Kreis Gütersloh gibt. Ihnen ist es zu verdanken, dass es häufiger gelingt, das Leben Betroffener zu retten.“

Für Strickmann lassen die Zahlen nur einen Schluss zu: „Der Mobile Retter hat die Herzdruckmassage vor den Augen der Ausbilder geübt und kann sie dadurch besser umsetzen als ein ungeübter Laie.“  Keinen Zweifel lässt der Fachmann aber daran, dass jede von einem Laien durchgeführte Herzdruckmassage die Chance, einen Kreislaufstillstand zu überleben und keine bleibenden Schäden davon zu tragen, deutlich erhöht. Aus diesem Grund sind die Mitarbeiter der Kreisleitstelle darin geschult, Laien telefonisch zur Reanimation anzuhalten und dabei anzuleiten.

Bernd Strickmann, Notarzt und Ärztlicher Leiter Rettungsdienst beim Kreis Gütersloh, hat den lebensrettenden Erfolg der Mobilen Retter wissenschaftlich nachgewiesen.

Schon zum Start des Projekts Mobile Retter hatte sich Strickmann die wissenschaftliche Begleitung auf die Fahnen geschrieben. „Was gar nicht so einfach ist, weil wir sehr viele verschiedene Krankenhäuser anfahren. 17 an der Zahl.“ Für seine Studie hat er sämtliche 886 Reanimationsfälle zwischen Oktober 2013 und 2017 untersucht. 398 Patienten wurden nach Wiederbelebung in 17 verschiedene Krankenhäuser transportiert, 83 Prozent dieser Fälle konnte Strickmann auswerten. Auch für diese aussagekräftige Auswertung zahlt sich einmal mehr aus, dass der Kreis Gütersloh seit 2007 am Deutschen Reanimationsregister teilnimmt.

Die Patientendaten teilte er in vier Gruppen auf: Rettungsdienst, also ohne Ersthelfer, Laienhelfer, die zufällig vor Ort waren, telefonisch durch die Kreisleitstelle angeleitete Reanimation durch Laien vor Ort und Mobile Retter. Ein Ergebnis: „Die Hälfte der Reanimationen wurde vor Eintreffen der Rettungskräfte begonnen, das ist überragend“, so Strickmann. Jede Maßnahme, die vor Eintreffen des Rettungsdienstes stattfindet, verbessere das Ergebnis: Das gelte für Mobile Retter, Telefonreanimation und auch für Laienhelfer. Wenn vor dem Rettungsdienst niemand reanimiert, können nur sechs Prozent der Patienten in gutem Zustand das Krankenhaus verlassen, weitere zwei Prozent in keinem guten Zustand, also mit bleibenden Schäden.

Wenn Mobile Retter vor dem Rettungsdienst am Einsatzort waren, werden 13 Prozent, also gut doppelt so viel, der Patienten in gutem Zustand entlassen. Weitere fünf Prozent können entlassen werden, behalten jedoch Folgeschäden. Strickmann: „Zwar versterben leider noch immer die meisten primär geretteten Patienten im Krankenhaus. Aber wenn man überlebt, dann ist die Chance auf ein Überleben mit guter Lebensqualität viel größer. Dieser Effekt wird durch Mobile Retter signifikant verbessert.“ Bei Laienhelfern und durch die Leitstelle per Telefon angeleiteten Helfern können elf beziehungsweise zehn Prozent der Patienten in gutem Zustand entlassen werden, weitere vier beziehungsweise fünf Prozent mit Folgeschäden. „Der Anteil an telefonisch angeleiteter Reanimation steigt im Kreis Gütersloh kräftig an, die Kreisleitstelle ist auf diesem Gebiet überdurchschnittlich gut.“ Was auch heraus gekommen ist bei der Studie: Das ersteintreffende Rettungsmittel – also Rettungswagen oder Notarzt – ist im Schnitt in sieben Minuten da, die Mobilen Retter im Schnitt in vier Minuten. Manche sind schon in einer Minute vor Ort.

Strickmann: „International gibt es bereits ähnlich funktionierende Systeme, die auch die zeitliche Überlegenheit gegenüber dem Rettungsdienst belegen: Nach unserer Kenntnis existieren jedoch weltweit bislang keine Daten über die Auswirkung auf das Überleben und die Überlebensqualität. Dies ist im Kreis Gütersloh nun gelungen.“ Strickmann ist als Ärztlicher Leiter Rettungsdienst unter anderem für die Qualität des Rettungswesens zuständig. Er blickt schon wieder nach vorn: „Alle Disponenten der Kreisleitstelle sind mittlerweile in der Anwendung der strukturierten Notrufabfrage geschult und müssen sie anwenden. Damit dürfte sich der Anteil der im Notrufdialog erkannten Fälle von Kreislaufstillstand erhöhen.“ Seit Dezember 2017 sei in der Kreisleitstelle das neue Einsatzleitsystem COBRA 4 in Betrieb, wodurch unter anderem die automatische Alarmierung der Mobilen Retter verbessert werden konnte. Strickmann geht davon aus, dass eine Auswertung der Folgedaten noch weitere, bessere Ergebnisse zutage bringen würde.

Zum Thema: Mobile Retter

Bundesweit gibt es inzwischen 15.500 registrierte Mobile Retter. Nach dem Pilotprojekt im Kreis Gütersloh folgten weitere Kreise und Städte, die das System in den Leitstellen installierten: Kreis Unna, Kreis Kleve, Bielefeld folgt im Mai, Kreis Mettmann und Essen stehen in den Startlöchern. Doch auch außerhalb von NRW haben sich mehrere Städte und Landkreise für die Einführung entschieden: Emsland / Grafschaft Bentheim, Germersheim / Südliche Weinstraße / Landau, Groß Gerau, Ingolstadt, Neckar-Odenwald-Kreis, Stadt und Landkreis Osnabrück, Peine. Die Idee hinter den Mobilen Rettern: Auch wenn Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeug schnell vor Ort sind, ist ein geschulter Retter vielleicht rein zufällig viel näher dran und könnte die Erstversorgung übernehmen, wenn er nur von dem Ereignis wüsste. Denn bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand sind unmittelbare Wiederbelebungsmaßnahmen entscheidend für die Überlebenschancen eines Menschen. Über eine spezielle App auf dem Smartphone werden registrierte und qualifizierte Ersthelfer, beispielsweise Sanitäter, Rettungsassistenten, Krankenschwestern, Ärzte oder auch Feuerwehrleute, die sich in der Nähe befinden, alarmiert und zu dem Patienten geschickt. Der Arzt aus der Nachbarschaft, der vielleicht gerade seinen Rasen mäht, ist deutlich schneller vor Ort, als der schnellste Rettungs- oder Notarztwagen. Die Mobilen Retter sind als Verein organisiert. Ziel ist es, das System bundesweit zu etablieren. Es werden stets noch mehr Mobile Retter gesucht. Man kann sich online anmelden unter www.mobile-retter.de/mitmachen